Donnerstag, 2. Januar 2014
Schumi kann nix für unsere Sucht nach Entmachtung.
Warum ist es eklig, dass Schumachers Leid
breitgetreten wird? Wir nehmen Teil am Leben
eines fremden Mannes. Chipsfressend und
johlend, wenn er was gewinnt. Chipsfressend
und seufzend, wenn er schwer verletzt im
Krankenhaus-TV dämmert.

Warum fällt uns nun erst auf, dass (fast)
alle Medienberichte nur zwei Absichten verfolgen?
1. Taschen mit Geld zu füllen.
2. Davon abzulenken, dass wir keinerlei
Macht über die Gestaltung des Gesamten haben.

Wäre ich Politiker, würde ich den Menschen viele
Stars und Kabarettisten vorsetzen. Schumis
für die Doofen und Politsatiriker für die Schlauen.
Denn wichtig am Regieren ist: Gib allen
anderen den Eindruck, sie hätten was zu sagen.
Ist natürlich nur Blenderei, logo. Aber:
Dann kann man uneingeschränkt walten,
wie's beliebt. Funktioniert! Echt!

Und das fällt uns erst auf, wenn die Medien
quasi über sich selbst stolpern, also keine
"relevanten" Inhalte mehr haben?
Wenn es so pietätlos und verzerrt wird,
dass es dampft? Wenn Kinder täglich
unerwähnt auf der Krebsstation dahinsiechen,
kratzt das keinen.
Wenn tollkühne Sportler für ihre Eskapaden
eben mal bezahlen müssen, weint das
Volk. Und wundert sich über seine eigene
unangemessene Flennerei. Es ist uns letzlich
schon klar, dass Schumis Unfallberichte eben
nicht mehr Dringlichkeit besitzen als Opas
verstopfter Katheter oder die einsam
gestorbene Nachbarin?
Kommt spät, diese Einsicht.

Während wir doof im Stadion hocken und
Millionäre anfeuern, während wir uns
Hollywoodfilme reinziehen, die Konzernbosse
mundgerecht für uns abliefern, werden wir
immer kleiner, ärmer und obrigkeitsgefickter.

Und finden es auch noch geil!
Mit Fan-Shirt und Wimpel feiern wir
unsere Entmachtung!
Und wundern uns dann über
die Schumi-Artikel! WIR wollten das!

Wir mochten nix hören von anonymen
Verhungerten, wir wollten Gaudi und
Halligalli und Formel 1!

Da haben wir sie, und da haben wir uns,
eklig, promigeil, ohne ein echtes Selbst,
ausspioniert und bloßgestellt.
Herzlichen Glückwunsch, wir sehen uns
im Kino / im Stadion / bei der WM /
beim Lesen der Lügenblätter. Überall da,
wo wir herausschreien, dass wir gerne
niemand sind und gerne reiche Götter hätten.

Und gute Besserung, Schumi.

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